Lyrik

Vor dem Fest

Die Sonne
am Schwächeln,
der Tag
nicht hell,
der Mond
etwas krank
und Schnee
im Mai,
als hätten wir
auf Weihnachten vergessen,
als sollten wir
gerade jetzt, in diesem Frühling,

daran erinnert werden,

dass es ein Fest der Liebe gibt.

 

 

Bettlerdebatte

Die Brücken verbauen,
die Hütten vernageln,
die Scheuklappen fester gezurrt.

Die Reichen ertragen den Anblick
der Armen nicht mehr.
Arme Reiche?

Publiziert in der Literaturzeitschrift Cognac & Biskotten, Innsbruck, 2014.

 

 

Erstes Abendmahl

Nimm dir ein Herz,
gern auch meins,
fasse Fuß

im Mut.
Gib dem Zweifel
keinen Brösel

von dem Brot,
das ich buk,
das du nun

für uns brichst.

Erschienen im Glarean-Magazin, HRSG: Walter Eigenmann, Emmenbrücke, 2014.

 

 

 

Dichiarazione di fallimento, lacerato

Nessuna casa. Nessun albero. Nessun bambino.
A nessuno stato e neppure alla chiesa.
Zero senso del dovere. Tenue smania di potere.
Infiniti sogni piantati nella sabbia del mondo.

Ora qui, ora là, ora difficilmente identificabile.
Vissuto. Amato. Riso. Goduto.
Qualche scheggia pestata con i piedi,
con ciò tolta di mezzo.

Traduzione: © Reinhard Christanell 2017
(Ins Deutsche übersetzt von Reinhard Christanell, 2017)

Nachzulesen unter Poetry Magazine U. von Liechtenstein


 

 

Am Ende
eine vertraute Hand
über die Augen.
Waschen, umziehen,
Zöpfe flechten.
Und die schwarzen Perlen
des Rosenkranzes,
Rubine am Ohr.
Und Kreuz
um den Hals.

Lasst mich noch
drei Tage
im Haus aufgebahrt,
bei den Kindern,
im Dorf.

Nur
dieser Geruch
nach Lysoform,
beiderseits Gitter
am Bett,
kein Mensch
vor den weißen Fliesen.


 

 

Wenn dein Lächeln
gefriert, gefrieren
die Tränen.

Wenn Tränen
sich lösen, löst sich
der Schmerz.

Während Schmerzen
verklingen, erklingt
ein Lächeln

in dir.


 

 

Gelblich wie Eiter,
übelriechend,
lauwarm.

Fleischrotes Euter,
prall
und gesalbt.

Zuckender Magen,
ein Grinsen,
dir nachgeben:

kuhwarme Milch
aus deiner hohlen Hand
trinken,

dir zuliebe.


 

 

Der Vater,
ein Bauer,
Mutter
dazu,
eigene Sprache,
die eigene Sau,
frühjahrs

Viele wollige Katzen,
zum Spielen

und Erschlagen.

Zu viel Arbeit,
zu viel Heu im Schober,
keine Umkehrmaschine.

Beide Gedichte erschienen in Lyrik im Gespräch, HRSG: Kreis der Südtiroler Autoren, Meran, 1996.